50 Jahre Hiphop-Kultur sind bereits gebührend gefeiert worden. Nun geht die Wanderausstellung „The Culture“ dem Phänomen auf die Spur, erstmals auch in Europa.
Wer den heutigen popkulturellen Megatrend Hiphop näher betrachtet, stellt fest, dass dessen Wurzeln bereits vor einem halben Jahrhundert gelegt wurden. Damals noch als primitiver Zeitvertreib der Straßenkinder im damaligen New Yorker Armenghetto South Bronx verunglimpft, haben die „Four Skills“ des Hiphop, MC-ing (Rappen), DJ-ing (Musik auflegen), Breakdancing und Spraying (Graffiti auf Wände sprühen), einen Siegeszug rund um die Welt angetreten.
Längst ist Hiphop-Kultur nicht mehr aus der Modewelt wegzudenken, zahlreiche musikalische Stile sind aus den Ursprüngen entstanden, und nicht zuletzt erwirtschaftet Hiphop gewaltige Geldbeträge. Gute Gründe also für die US-Museen Baltimore Museum of Art und Saint Louis Art Museum, dem runden Jubiläum Tribut zu zollen, und eine eigene Wanderausstellung zu widmen. Diese ist nun erstmals auch in Europa zu sehen, derzeit in der Frankfurter Kunsthalle Schirn.
Mainstream und Subkultur
Welche Bedeutung Hiphop in den 1970er Jahren hatte, lässt sich aus heutiger Sicht kaum noch ermessen. Eine ganze Generation dunkelhäutiger Afro-Amerikaner hatte auf einmal eine eigene Kultur entwickelt, in der die alltäglichen Probleme zum Ausdruck gebracht werden konnten: Alltagsrassismus, Armut, Bandenkriege, permanente Tristesse. Mit einfachsten Mitteln zauberten die frühen MCs und DJs ein bisschen Hoffnung für die Nachfahren US-amerikanischer Sklavenarbeiter auf die Straße.
Daneben ergab sich aus den verbalen Abhandlungen und Streitgesprächen, den Raps, die Möglichkeit, seinen Unmut auf kreative Weise zu äußern und in Diskurs zu treten. Desgleichen in grafischer Form über Graffiti, die zu einer eigenen spontanen Kunstform geworden sind. An große Vermarktungsmöglichkeiten war zu Beginn noch nicht zu denken. Die später so beliebte Kleidung mit viel zu großen Baggy Trousers geht darauf zurück, dass die Protagonisten aus Geldmangel die Kleidung der älteren Geschwister auftragen mussten. Eine neue Form des Pauvre Chic war geboren.
Armut und Glitzerwelt
Die heute üblichen Darstellungsformen reicher Hiphop-Stars mit jeder Menge Blingbling, teuren Markenartikeln, prunkvollen Villen und aufgemotzten Sportwagen können am ehesten als Überkompensation der ursprünglich armutsgetriebenen Kulturform gedeutet werden. Unter Puristen sind diese Zeichen dementsprechend umstritten, genauso wie der Machismo, der in Form von Gewalt und Aggression Einzug gehalten hat. In der ursprünglichen Deutung ist derlei noch nicht manifest gewesen. Mittlerweile gibt es aber auch eine ganze Reihe weiblicher Hiphop-Stars, die sich nicht mehr mit Geschlechterstereotypen abgeben wollen und Stärke zeigen.
Hiphop ist also ein vielschichtiges Phänomen, wenn auch gerade in Musik und Mode mittlerweile omnipräsent. Dementsprechend sind die Exponate in „The Culture“ mit passenden Musikstücken unterlegt, in der Frankfurter Schirn allerdings nicht mit dem originalen Soundtrack des US-Kuratorenteams. So lässt sich mit Augen und Ohren eintauchen in die Hiphop-Kultur, die das einstmals westlich dominierte Kunst-Narrativ für immer verändert hat.
„The Culture“ ist noch bis 26. Mai 2024 in der Frankfurter Kunsthalle Schirn zu sehen und wird anschließend durch Europa ziehen. Wohin genau, lässt sich regionalen Ankündigungen entnehmen.
Foto: Emily Piwowar / NÓI Crew
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Quelle: Messe & Event Magazin
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